Prof. Dr. Kim Otto hält ein Plädoyer für das Polit-Magazin. Er hat jahrzehntelang maßgeblich beim Monitor Magazin mitgearbeitet.
Was zeichnet ein gutes Fernseh-Magazin aus?
Ich möchte hier in erster Linie aus der Position des politischen Fernseh-Magazins wie dem Monitor sprechen, denn politische Magazine stehen für den investigativen Hintergrundjournalismus im öffentlichen Fernsehen. Sie sind das Format für die politische Öffentlichkeit, vergleichbar mit dem Spiegel bei den gedruckten Medien. Eine Magazin-Redaktion schaut den Mächtigen des Staates auf die Finger, hinterfragt ihre Handlungen und Entscheidungen und kann somit als Frühwarnsystem fungieren. Dafür braucht man eine gute Bauanleitung. Die finden angehende Journalist*innen in diesem Buch. Es zeigt auf, wie gute Hintergrund-Berichterstattung von der Recherche bis zu einer vernünftigen Dramaturgie formal aufgebaut werden soll.
Eine Magazin-Redaktion schaut den Mächtigen des Staates auf die Finger und kann somit als Frühwarnsystem fungieren.
Warum ist eine formale Anweisung für ein Fernseh-Magazin so wichtig?
Formale Anweisungen machen in diesem Zusammenhang durchaus einen Sinn: Die Form, wie man sie heute beispielsweise im Monitor findet, hat sich bewährt. Der Zuschauer weiß, wie er die einzelnen Bestandteile wie etwa Reportage, Protagonisten- und Experteninterview einzuschätzen hat. Viele Themen, um die es in einem politischen Magazin geht, sind schwer zu vermitteln, da sind starre Regeln sehr sinnvoll. Nehmen wir als Beispiel das Experteninterview, das immer nach dem gleichen Prinzip aufgebaut ist. Dabei steht die Aussage im Vordergrund, nicht das Umfeld, in dem es stattfindet. Eine konkrete Aussage in 30 Sekunden zu bekommen, kann sich als schwierig gestalten und gelingt manchmal erst nach mehreren Versuchen.
Welche persönlichen Voraussetzungen muss man mitbringen, um in einem Fernseh-Magazin mitzuarbeiten?
Ein Fernsehmagazin-Journalist sollte eine Haltung mitbringen, ein Wertesystem, aus dem heraus er oder sie die politische und wirtschaftliche Lage kritisch beurteilen kann. Dazu gehören Neugierde und Furchtlosigkeit. Und natürlich ein Fachstudium, das einen in die Lage versetzt, entsprechende Informationen zu verstehen. Das kann ein Studium der Politik, Jura oder Wirtschaft sein. Und es handelt sich nicht um einen 8-Stunden-Job!
Mit welcher Ausbildung kommt man am besten in eine Fernseh-Magazin-Redaktion?
Ein Fachstudium sollte man durch eine Journalisten-Ausbildung mit Volontariat ergänzen, das wäre sozusagen der Königsweg. Aber es gibt auch viele andere Wege zum Fernseh-Magazin. In einem Redaktionsteam arbeiten viele Menschen mit: die Techniker, die Texter, die Reporter vor Ort.
Mittlerweile gibt es zahlreiche Formate in den sozialen Medien, die von Influencern ohne journalistische Ausbildung mit einer enormen Reichweite gemacht werden. Sind sie eine Konkurrenz für das klassische Magazin-Format?
Das klassische Fernseh-Magazin-Format hat den höchsten Qualitätsstandard, da es Quellentransparenz liefert und einer Faktenkontrolle unterzogen wird. In den sozialen Medien wird nicht gleichwertig valide recherchiert. Sie können eine sinnvolle Ergänzung sein, werden aber von Verantwortlichen aus Politik und Wirtschaft weniger wahrgenommen. Auch wenn sich das Verhalten der Rezipienten verändert hat, bleiben die Fernseh-Magazine für den politischen Diskurs relevant.
Prof. Dr. Kim Otto ist Professor für Wirtschaftsjournalismus und Wirtschaftskommunikation an der Universität Würzburg und Journalist. Er studierte Politikwissenschaft, Volkswirtschaft und Recht an der Universität Duisburg und promovierte in Journalistik an der Universität Dortmund. Er arbeitet seit 2001 für das ARD-Politmagazin Monitor, aber auch für die ARD/WDR-Dokureihe die story. 2007 erhielt er den Adolf-Grimme-Preis für die Aufdeckung des Skandals „Bezahlter Lobbyismus in Bundesministerien“. Seine aktuellen Forschungsgebiete sind Qualität im Wirtschaftsjournalismus, Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement in Wirtschaftsredaktionen und Crossmedialität im Journalismus.