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Die Überschrift

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Foto von Ralf Freitag  

Ralf Freitag

Delmenhorster Kreisblatt

Ralf Freitag, am 25.06.1964 in Gütersloh geboren, studierte Publizistik, Politikwissenschaft und Germanistik an der Freien Universität Berlin und an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster. Nach einem Volontariat beim Westfalen–Blatt in Bielefeld besuchte er von 1990 bis 1992 die Journalistenschule des Axel-Springer-Verlages und arbeitete als Redakteur in der Nachrichtenredaktion der Tageszeitung „Die Welt“. Zum 1. Juli 1992 übernahm er die Redaktionsleitung der Lokalredaktion Strausberg der Märkischen Oderzeitung, 1998 die Leitung der Lokalausgaben der Märkischen Oderzeitung. Als Mitglied der Chefredaktion und verantwortlich für die redaktionelle Blattplanung sowie die Schnittstelle zwischen Redaktion und Technik als Chef vom Dienst, ist er seit 2001 Chefredakteur des Delmenhorster Kreisblattes.

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Interview


Mit einer Überschrift steht oder fällt die Neigung des Lesers, den nachfolgenden Artikel auch zu lesen, für den sich ein Journalist so viel Arbeit gemacht hat. Eine Überschrift ist ebenso wichtig für den Leser wie ein aussagekräftiges Foto. Beide sollen neugierig machen und zum Lesen animieren, verführen... Im Folgenden geben leitende Redakteure von Tageszeitungen Auskunft, welchen Stellenwert sie dem Thema „Überschriften“ in ihren Zeitungen einräumen.

Wir sprachen mit dem Chefredakteur des Delmenhorster Kreisblattes (DK), Ralf Freitag.


Sie sind seit 2001 Chefredakteur des Delmenhorster Kreisblattes. Wie hat sich in Ihrer Zeitung die Formulierung und Gestaltung einer Überschrift im Laufe der Jahre verändert?

Die Überschriften werden heute wesentlich aktiver formuliert. Es gibt zwei Pflichten: Headlines stehen im Präsens und haben ein Verb. Ausnahmen werden nur bei so genannten Kurzmeldungen zugelassen. Eine weitere Veränderung: Unsere Überschriften sind heute optisch klarer: Damit wird die Wertigkeit von Beiträgen betont. Vor fünf Jahren haben wir auch die Dachzeilen abgeschafft. Dach-, Haupt- und Unterzeile verwirren nur. Wir haben uns für die Unterzeile entschieden, die den gleichen Regeln zu folgen hat, wie die Hauptzeile.

Welche Rolle spielt für Sie eine Überschrift? Welchen Stellenwert messen Sie ihr bei?

Mit der Überschrift wird das Rennen um die Gunst des Lesers entschieden. Ist sie langweilig, wird der Beitrag nicht gelesen. Wir Journalisten mögen das bedauern, aber bei sinkender Leseintensität müssen wir nun mal auch unsere Marketinginstrumente nutzen.

Schreiben Ihre Redakteure die Überschriften selbst oder gibt es beim DK spezielle Überschriftenredakteure?

Nach einer kurzen Debatte haben wir uns dafür entschieden, dass der Redakteur die Überschrift selbst macht. Er kennt die Story, weiß um den Kern der Aussage. Dazu gibt es die Spät-/Stehkonferenz. Die Seiten hängen um 18 Uhr – soweit fertig – an der Magnettafelwand und wer gerade Luft hat, diskutiert mit dem Chefredakteur über die Überschriften. Das ist übrigens eine gute Übung sowohl für Volontäre wie auch für alte Hasen.

Gehört die Formulierung einer guten Überschrift zur „Königsdisziplin“ im Journalismus?

Aus den oben genannten Gründen auf jeden Fall. Meine Stirn legt sich in Falten, wenn jemand in der Redaktion ruft „Ich muss nur noch schnell die Überschrift machen“.

Sind Überschriften mit einem Werbeslogan zu vergleichen und könnte man dann den Überschriftentexter mit einem Werbetexter vergleichen?

Auch wenn Journalisten bei diesem Vergleich zusammenzucken: Ich sehe das so. Gutes Blattmachen folgt heute bewusst oder unbewusst den bekannten Marketing-Instrumenten. Und warum auch nicht: Unsere guten Leistungen verkaufen sich schon seit Jahren nicht mehr von selbst. Allergisch reagiere ich aber, wenn ein Redakteur versucht, mit einer knalligen Überschrift eine schlampige Recherche zu überdecken. Das merkt auch der Leser.

Steht die Überschriften-„Bibel“ von Wolf Schneider und Detlef Esslinger in Ihrem Bücherregal und sollte sie zum Handwerkzeug eines guten Journalisten gehören?

Wolf Schneiders Bücher gehören zur Pflichtlektüre eines Journalisten. Allerdings mag ich keine Lehrbuch-Mentalität unter meinen Mitarbeitern. Dazu ist unser Beruf einfach zu ereignis- und facettenreich. Das allerdings spricht nicht gegen eine gute Aus- und Weiterbildung. Meine Volontäre und neuen Redakteure bekommen von mir auch Siegfried Weischenbergs Buch „Nachrichtenschreiben“ in die Hand.


Das Interview führte Martina Frenzel

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